Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Bundesregierung zum Stopp von Waffenlieferungen nach Israel aufgerufen. "Sie darf keine Waffen an Israel und andere Konfliktländer liefern, wenn die Gefahr besteht, dass damit Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen begangen werden", sagte die Generalsekretärin des deutschen Ablegers von Amnesty, Julia Duchrow, bei der Vorstellung des Jahresberichts der NGO. Rüstungsexporte zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen seien davon nicht betroffen, fügte sie mit Blick auf die Ukraine hinzu.

Die Organisation erneuert damit ihre Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen. "Der Militäreinsatz der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen hat jedes Maß verloren", sagte Duchrow. "Er geht mit zahlreichen Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht einher."

Amnesty sieht Eingriffe in die Versammlungsfreiheit

Jedoch weigere sich die Bundesregierung, "die Kriegsverbrechen der israelischen Armee beim Namen zu nennen". Die Bundesregierung müsse sich für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln im Gaza-Konflikt einsetzen. "Stattdessen lieferte sie vermehrt Waffen", sagte Duchrow. Amnesty wirft der Bundesregierung mit Blick auf den Nahostkonflikt vor, "mit zweierlei Maß zu messen". Dies schade auch den internationalen Menschenrechtsstandards.

Die Organisation kritisierte im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt auch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit. So seien zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen zugunsten der Palästinenser vorbeugend verboten worden. "Es gab Medienberichte über unnötige und übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, Hunderte von Verhaftungen und verstärktes Racial Profiling von Menschen, die als Araber oder Muslime wahrgenommen wurden", heißt es in dem Jahresbericht.

Forderung nach Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen

Deutschland wird in dem Bericht außerdem vorgeworfen, Migranten nicht ausreichend vor Gewalttaten zu schützen. Auch habe die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten und Hasskriminalität deutlich zugenommen. Aber auch die Fälle von antisemitischen und antimuslimischen Taten seien gestiegen.

"Deutschland erkennt strukturellen Rassismus nicht ausreichend an und tut zu wenig, um Menschen vor Hasskriminalität zu schützen", sagte Duchrow. Übergriffe und politisch motivierte Straftaten, darunter Beleidigungen und Angriffe auf Schutzsuchende und Flüchtlingsunterkünfte, hätten 2023 im Vergleich zum Vorjahr weiter zugenommen.

Amnesty prangerte zudem die Tatsache an, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland noch immer kriminalisiert seien, "und das schon seit der Kaiserzeit". Schwangerschaftsabbrüche sollten außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden, betonte die Organisation.

Der Jahresbericht von Amnesty International untersucht die Entwicklung der Menschenrechte in 155 Ländern. Dabei hebt die Organisation für das Jahr 2023 besonders vier negative Punkte hervor: die zunehmende Schutzlosigkeit von Zivilisten in bewaffneten Konflikten, Rückschläge bei der Geschlechtergerechtigkeit, Angriffe auf Menschenrechtsaktivisten sowie Risiken durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Überwachungstechnologien.